Kreislaufwirtschaft steht bei uns auf Platz 1

Der mit 20 000 Franken dotierte Solothurner Unternehmerpreis (SUP) wurde am 10. Januar zum 25. Mal verliehen. Stolze Gewinnerin ist die Marti AG Solothurn. Das Jahreskriterium Kreislaufwirtschaft» verinnerlicht das Unternehmen unter der Leitung von Christoph Müller seit mehr als zehn Jahren. Das hat nicht nur die Jury überzeugt, sondern auch die rund 230 Zuschauerinnen und Zuschauer im Parktheater Grenchen und das Publikum im Livestream. Wirtschaftsflash traf Christoph Müller zum Gespräch.

 

Christoph Müller, Sie haben mit der Marti AG Solothurn den diesjährigen Solothurner Unternehmerpreis gewonnen. Warum haben Sie die Jury überzeugen können?

Als wir das Motto des diesjährigen SUP erfuhren, war für uns klar, dass wir uns um den Preis bewerben würden. Wir haben uns seit 2010 mit dem Thema Baumaterialversorgung intensiv auseinandergesetzt und kamen schon damals sehr schnell zum Schluss, dass früher oder später die Kreislaufwirtschaft einen hohen Stellenwert erhalten wird.

 

Die Jurypräsidentin Dr. Doris Aebi hat in ihrer Laudatio anlässlich der Preisverleihung von einem «Vorzeigeunternehmen für unseren Kanton» gesprochen. Ein solches Prädikat erhält eine Firma nicht über Nacht …

Natürlich nicht. Wir haben vor über einem Jahrzehnt unsere Unternehmensstrategie konsequent auf Kreislaufprozesse ausgerichtet und auch immer wieder nachjustiert. Diese Politik nun mit einem Preis honoriert zu bekommen, macht mich als Geschäftsführer stolz und zeigt, dass unsere Überlegungen von damals richtig waren. Ich möchte aber betonen, dass es dazu auch das richtige Team braucht.

 

Als Teil der Marti Holding AG haben Sie sicherlich auch gute Rahmenbedingungen für innovatives Handeln?

Ja, es braucht einen Firmeneigner, der Visionen mitträgt. Die Marti AG Solothurn hat diese Voraussetzung.

 

Das Baugewerbe ist vorne dabei, wenn es um einen Beitrag an die Kreislaufwirtschaft geht. Warum?

Unser Gewerbe muss sich einem grossen Preisdruck stellen. Aus diesem Grund sind wir sehr dynamisch, innovativ und optimieren, wo immer wir einen Ansatz finden. Bei den grossen Mengen von Baumaterial, die wir verarbeiten, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als unablässig neue Lösungsansätze zu suchen. Kreislaufwirtschaft steht bei uns auf Platz 1.

 

Ein Produkt Ihrer Strategie ist der «Baustoffpark» in Walliswil bei Niederbipp. Früher war das einfach ein Kieswerk. Und heute?

Der Baustoffpark ist ein Kompetenzzen­trum für das Recycling, die Produktion und die Entwicklung von Baustoffen. Alle Anlagen sind auf dem neuesten Stand der Technik. Das Zusammenspiel aller Gewerke im Baustoffpark ist in der Schweiz bisher einzigartig.

 

Wie muss man sich das vorstellen?

Beim Abbruch und Rückbau zerlegen wir die Baumasse in die einzelnen Baustoffarten. Während wir Beton und Belag selbst zu Granulat verarbeiten, geben wir Materialien wie Metall, Holz und andere Stoffe an Partnerfirmen zur fachgerechten Entsorgung weiter. In unserem Universalrecyclingwerk im Baustoffpark bereiten wir diese Rückbaustoffe auf. Die angenommenen Materialien werden gebrochen, sortiert, gewaschen und ausgesiebt. Das Resultat ist Sekundärmaterial, das wir für klassische Baustoffe und Neuentwicklungen einsetzen.

 

Das Innovationszentrum Baustoffpark ist wie gehört einzigartig in der Schweiz, die Investitionen dementsprechend hoch. Haben Sie weitere Pläne?

Im Innovationszentrum Baustoffpark entwickeln wir in erster Linie neue Produkte, um diese dann auf zertifizierten Aufbereitungsplätzen und Baustellen zu multiplizieren. Wir haben einen bestehenden Aufbereitungsplatz in Bellach, den wir 2023 mit einer mobilen Anlage erweitern. Auch erhielten wir letzten November den Regierungsratsbeschluss für den Gestaltungsplan eines Aufbereitungsplatzes in Gretzenbach über einen grösseren Perimeter mit Bahnanschluss. Hier werden wir im Jahr 2023 das Baugesuch angehen. Der nächste Schritt geht klar Richtung Schiene. Dieses Projekt wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen.

 

Prozesse können optimiert, die Effizienz gesteigert werden: Irgendwann gibt aber die (Bau-)Physik wohl Grenzen vor. Was machen Sie dann?

Vor allem die letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt, welche Möglichkeiten sich aus innovativen Bauprodukten ergeben. Ich sehe das Potenzial hier noch lange nicht ausgeschöpft. Zudem hätte ich Ideen, deren Umsetzung jedoch momentan aus Zeit- und Kostengründen nicht realisierbar ist. Wer weiss, was da die Zukunft bringt.

 

Zurück zur Gegenwart: Was sind die aktuellen Herausforderungen?

Wir müssen und wollen allen Ingenieuren und Planern aufzeigen, was heute mit Produkten aus der Kreislaufwirtschaft möglich ist. Es gilt, einen nachhaltigen Wissenstransfer für die ganze Schweiz zu sichern. Das wird wohl noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

 

Warum?

Das Thema scheint den Ingenieuren und Planern noch nicht so richtig ans Herz gewachsen zu sein. Da verlässt man sich ausbildungsbedingt lieber auf Normen. Aber: Das Normenwerk hinkt den heutigen Möglichkeiten komplett hinterher. Und da die Schweizer SIA-Normen auf den EU-Normen aufbauen, ist auch in Zukunft keine grosse Dynamik für eine Überarbeitung zu erwarten.

 

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der Recycling-Anteil bei einem Strassenbelag könnte für eine normale Strasse um satte 30 Prozent höher liegen. Bedingung dafür ist aber, dass der Bauherr dies zulässt und auf ein Einhalten der Normen verzichtet.

 

Neben dem Kantonal-Solothurnischen Gewerbeverband und der Solothurner Handelskammer trägt auch der Kanton Solothurn den Solothurner Unternehmerpreis mit. Die öffentliche Hand ist ja eine grosse Bauherrin, oder?

Das Potenzial bei öffentlichen Bauten wie Schulhäusern, Spitälern oder Strassen ist gigantisch. Hier erwarte ich vom Gesetzgeber klare Statements. Weiter sollten endlich die Grundlagen geschaffen werden, dass Sekundärbaustoffe konsequent eingesetzt werden.

 

Das wäre dann sozusagen wie ein Sechser im Lotto für Sie.

Nun, um im Lotto zu gewinnen, braucht es nicht viel – ausser Glück. Wir dagegen leisten im Bereich der Kreislaufwirtschaft Pionierarbeit und werden diese Arbeit und diese Investitionen auch in Zukunft leisten. Irgendwann wird sich dieser Vorsprung auszahlen.

Das Interview führte Christian Fluri, Redaktion Wirtschaftsflash