In der aktuellen Arbeits- und Wirtschaftswelt existieren viele Reize, aber nur wenig Zeit, diese mental zu verarbeiten. Deshalb ist derzeit eine Kompetenz ganz besonders wichtig: Resilienz. «Ohne eine gut ausgebildete Resilienz entstehen Überforderung, Unsicherheit und Stress – das gilt sowohl für Individuen als auch für Organisationen», sagt die Expertin Prof. Dr. Jutta Heller.
Gesellschaft und Wirtschaft stecken derzeit in einer Phase grundlegender Veränderungen. Die Art zu arbeiten, erfährt durch die aktuellen Einflüsse und deren weitreichenden Auswirkungen einen Wandel, der «ähnlich grundlegend sein wird wie die industrielle Revolution», sagt Resilienz-Expertin Prof. Dr. Jutta Heller. Nicht ausschliesslich die Pandemie und der Krieg in der Ukraine sind fordernd, sondern auch der Vormarsch von künstlicher Intelligenz im Alltag, das dynamische Wachstum neuer Technologien und der Trend hin zur agilen Arbeitsweise. Mehrere Faktoren durchdringen das Arbeitsumfeld und die Anforderungen werden zunehmend komplexer. «Selbstverständlich brauchen Menschen neue Impulse und Anstösse, um sich weiterzuentwickeln. Wir sind so angelegt, dass wir neue Erfahrungen suchen», betont die Wissenschaftlerin. Gewohntes langweile die Menschen schnell – zum Glück, denn sonst würden Kinder wohl nie so komplexe Fähigkeiten wie Gehen, Sprechen oder komplizierte interpersonelle Skills wie Empathie erlernen. «Zugleich benötigt der Mensch aber auch Zeiten der Ruhe, damit sich neu Gelerntes, neue Eindrücke und neue Erfahrungen setzen können», ergänzt Jutta Heller. In der aktuellen Arbeitswelt haben die Mitarbeitenden mehr als genug neuer Reize, aber nur noch wenig Zeit, diese mental zu verarbeiten. Die Folge: Ohne eine gut ausgebildete persönliche Resilienz entstehen Überforderung, Unsicherheit und digitaler Stress. Und in einem Zustand permanenter Anspannung ist oft nur eine Kleinigkeit nötig, um eine persönliche Krise auszulösen. Jutta Heller vertieft: «Manche Menschen äussern sich dann laut und emotional, andere kehren sich mehr nach innen. Von einer Krise ist immer dann auszugehen, wenn ein ‹Weiter-wie-bisher› nicht mehr funktioniert.»Auch Unternehmen navigieren in einem Umfeld ständiger Veränderung, bewegen sich immer zwischen zwei Polen: der Stabilität des Unternehmens, die beispielsweise bei Lieferketten oder terminbezogenen Prozessen gegeben sein muss, und der Flexibilität, wenn unvorhergesehene Ereignisse auftreten und sich die Bedingungen ändern. «Ein Unternehmen, das in einem der neun Handlungsfelder seine organisationale Resilienz erhöhen will, sollte sich daher bewusst machen, ob der Fokus auf der Stabilisierung oder der Flexibilisierung liegen soll – oder ob Massnahmen angezeigt werden, mit denen beides zugleich erhöht werden kann.» Die Expertin rät: Dezentralisierte Strukturen schaffen beispielsweise Stabilität, weil sich schlechte Ereignisse schneller im Unternehmen verbreiten und Gegenmassnahmen getroffen werden können. Gleichzeitig erhöhen sie die Flexibilität, weil die Beschäftigten mehr Handlungsspielraum erhalten. Organisationale Resilienz hat also zum Ziel, Stabilität und Flexibilität zu vereinen: Gemeinsame Werthaltungen, die die Resilienz stärken, führen zu einer Stabilisierung im Inneren, die mehr Flexibilität im Agieren nach aussen ermöglicht. Auf diese Weise kann die Unsicherheit angesichts einer unvorhersehbaren Welt nicht nur ausgehalten, sondern als Chance für neue Wege genutzt werden. Ein reines Reagieren auf äussere Einflüsse reicht höchstens noch zum Überleben – erfolgreiche Unternehmen setzen besser auf Strategien zum Gedeihen. In den letzten Jahren wurde die Wichtigkeit von resilienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erkannt. Vor diesem Hintergrund fokussieren Unternehmen stärker auf diverse Unterstützungsfaktoren. Allerdings ist der reine Fokus auf den Menschen und wie dieser robuster und somit funktionsfähiger gemacht werden kann, ein zu kurz gegriffenes Verständnis von Organisationaler Resilienz. Sie ist sowohl beim Individuum als auch bei der Werthaltung, den Prozessen und Strukturen einer Organisation, wichtig. Für das Individuum gibt es sieben Unterstützungsfaktoren, sogenannte ResilienzSchlüssel: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung. Resilienzentwicklung im Unternehmen beginnt zunächst bei den Führungskräften. Wichtig ist, dass sich die Geschäftsleitung mit dem Thema auseinandersetzt, sich mit den Werten, die Resilienz stärken, identifiziert und diese repräsentiert. Es muss ein Bewusstsein für potenzielle Veränderungen geschaffen werden. Dafür müssen Führungskräfte in der Lage sein, Begegnungen auf Augenhöhe zu gestalten – in vertrauensvoller Interaktion mit ihren Teams; immer unter der positiven Vorannahme, dass sich jede und jeder eigenverantwortlich einbringen und engagieren will. Um dann konkret an UnternehmensResilienz anzusetzen, ist der erste und wichtigste Schritt, schnell ins Handeln zu kommen. «Und genau dafür sind neun Resilienz-Schlüssel hilfreich. Sie identifizieren diejenigen Bereiche, an denen angesetzt oder nachjustiert werden kann, und geben konkrete Handlungsempfehlungen zur Resilienzentwicklung», betont Jutta Heller.