Die Jury des Solothurner Unternehmerpreises hat die Thommen Medical AG als
Gewinnerin gekürt. Doch wer steht hinter dem MedTech-Unternehmen, das seit
gut 35 Jahren Zahnimplantate entwickelt und produziert. Ein Gespräch mit dem
erfolgreichen Unternehmer Livio Marzo, dem CEO und VR der Thommen Medical.
Livio Marzo, Sie haben an der Verleihung des Solothurner Unternehmerpreises betont, dass die Thommen Medical AG immer auf das Wohlwollen des Kantons Solothurn und der Stadt Grenchen zählen konnte. Sind solche guten Rahmenbedingungen essenziell für einen Unternehmens- standort?
Natürlich, Rahmenbedingungen sind immer eminent wichtig. Denken wir nur an die Entwicklungsmöglichkeiten, die ein Unternehmen am Standort braucht. Von Energie- und Sicherheitsfragen sowie fiskalpolitischen Rahmenbedingungen ganz zu schweigen. Vor allem letztere Thematik hat uns einige Jahre intensiv beschäftigt. Auch Rahmen- und Frei- handelsabkommen sind für ein Unternehmen ausschlaggebend. Oder bei Erweite-rungsprojekten ist eine rasche, kooperative Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden und der Stadt entscheidend. Alles in allem ist der Kanton Solothurn ein guter Standort. Auch im Vergleich zu unseren Nachbarkantonen.
Der Kanton Solothurn gilt sogar als ein perfekter Standort für die Produktion von MedTech-Produkten. Warum?
Bekanntlich schreibt die Region am Jurasüdfuss von Grenchen bis Olten schon seit Jahrzehnten eine sehr erfolgreiche und innovative Industriegeschichte. Angefangen hat alles aber viel früher: Die Tradition geht auf die Hugenotten zurück, die ab 1550 grosses Fachwissen über tragbare Uhren zu uns brachten. Und so dominierte bis in die 1970er- Jahre die Uhrenindustrie. Dann kam die Uhrenkrise und die MedTech-Branche etablierte sich. Es herrschten ideale Voraussetzungen: Die Fachkräfte, die Infrastruktur und der gute Umgang mit einer international operierenden Industrie waren in unserer Region bereits vorhanden. Heute ergänzen sich die MedTech- und Uhrenindustrie im Wirtschaftsraum sehr gut. Eines dürfen wir auch nicht vergessen: Den Durchbruch bezüglich Medizintechnik schaffte Robert Mathys bereits 1958 – dieser bildete die Basis einer internationalen Er- folgsstory. Ohne Robert Mathys wären Unternehmen wie Jabil, Johnson & Johnson, Synthes, Stryker oder die ganze MedTech-Zulieferindustrie nicht in gleichem Ausmass in den Kanton Solothurn gekommen.
Unter dem Jahresmotto «Investition in die Zukunft» konnte die Thommen Medical die Jury des Unternehmerpreises überzeugen. In was haben Sie investiert?
Neben der Produkte- und Produktionsentwicklung haben wir auch in die Ökologie, die Forschung und die soziale Verantwortung des Unternehmens investiert. Wir haben nie ausschliesslich auf das Produkt fokussiert, wir haben immer das ganze Unternehmen weiterentwickelt. Es war und ist unsere überzeugte Philosophie, den Mitarbeitenden ein gutes, innovatives und spannendes Umfeld zu bieten.
Beugen Sie so dem Fachkräftemangel vor?
Das ist ein sehr beunruhigendes Thema, von welchem die ganze Schweiz betroffen ist. Wir bei Thommen Medical konnten bis jetzt alle Stellen wunschgemäss besetzen. Wie es künftig sein wird, kann ich nicht beantworten. Wichtig ist deshalb, dass wir mit vereinten Kräften in die Attraktivität von Ausbildungsplätzen investieren. Mit dem Gewinn des Solothurner Unternehmerpreises von 20’000 Franken unterstützen wir das Projekt «go tec!», das im Rahmen des neuen Campus Technik hier in Grenchen Jugendlichen die Technik näher- bringen soll. Eine tolle Investition in die Zukunft.
Die Thommen Medical ist heute weltweit erfolgreich. Wie setzt sich ein Solothurner Unternehmen gegenüber den grossen Playern durch und erobert das globale Parkett?
Wir setzen konsequent auf Schweizer Präzision in der Herstellung, eine sehr guten Qualitätsprüfung und auf die Zusammenarbeit mit internationalen Experten in der Dentalmedizin. Und auf effiziente Distributoren, die unsere Produkte in ausgesuchten Märkten exklusiv vertreiben. Unser einzigartiges Zahnimplantat-System, welches Schweizer Qualität, Einfachheit und ein innovatives Design vereint, basiert auf über 35 Jahren klinischer Erfahrung und begeistert die Fachwelt weltweit. Unser Fokus liegt auch in Zukunft auf den hohen Ansprüchen unserer Kunden. Dafür tun wir alles und das hat der Markt er- kannt.
Zahnimplantate der Thommen Medical AG überzeugen weltweit.
In diesen Tagen beziehen Sie das neue Produktions- und Kundencenter von Thommen Medical in Grenchen. Wie hoch ist das Investitionsvolumen?
Wir sprechen hier von rund 12 Millionen Franken, die wir in die Zukunft unseres Unternehmens investieren. Das neue Gebäude mit 2700 Quadratmetern Brut- togeschossfläche ermöglicht die Automatisierung in der Produktion und die Optimierung der Prozesse. Zudem ist es nun möglich, ausgegliederte Geschäftsfelder zu integrieren.
Haben Sie für die Thommen Medical weitere Expansionspläne in der Pipeline? Selbstverständlich. Wir hatten 2021 eine Wachstumsrate von 19 Prozent gegenüber 2019. Wir verfolgen klar eine Wachstumstrategie über die nächsten Jahre, wir wissen aber auch, was wir uns leisten wollen und können. Dies bedeutet, dass das Wachstum balanciert sein muss. Uns ist wichtig, dass Forschung, Entwicklung und die Weiterentwicklung des Unter- nehmens immer kongruent und finanziell tragbar sind. Wer zu schnell wächst, kann auch ein solides Fundament gefährden. Das ist nicht unsere Philosophie. Wenn bei uns ein neues Produkt auf den Markt kommt, ist es absolut zuverlässig und ausgereift. Und diese seriöse Entwicklung braucht Zeit.
Seit 20 Jahren sind Sie bei der Thommen Medical AG tätig, seit 2015 verantworten Sie als CEO 115 Mitarbeitende und sind in über 30 Ländern präsent. An Stolpersteinen hat es auf dem langen Weg trotzdem nicht gefehlt. Von wo generieren Sie Ihre unternehmerische Kraft, den Mut zur Innovation und Investition?
Schwierig zu sagen. Es ist aber sicher so, dass ich die Kraft, die Energie und den Mut aus meinem Arbeitsalltag im Unternehmen ziehe. Ich bin gerne hier, bin auf unsere Produkte, auf die Mitarbeitenden und die ganze Thommen Medical stolz. Mir macht die Arbeit einfach grossen Spass. Auch wenn meine Karriere nicht immer glatt verlaufen ist. Vielleicht habe ich das Glück, mit einigen unternehmerischen Genen ausgestattet zu sein. Vor allem hatte ich aber Glück, in meinem unternehmerischen Umfeld auch Fehler machen zu dürfen. Diese Erfahrungen haben mich und meine Leidenschaft gestärkt.
Sie setzen mit Ihren Dentalimplantaten auf ein Zusammenspiel von innovativen Designmerkmalen, welche die mechanische Integrität des Implantates bewahren und für optimale biologische Verhältnisse sorgen. Wie lange garantieren Sie dem Patienten ein schönes Lachen?
Unser Ziel ist es, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten ein Leben lang zu verbessern – funktional und ästhetisch. Das garantieren wir für unsere Produkte. Dafür verfolgt die Thommen Medical seit jeher eine zu 100 Prozent umgesetzte Rückwärtskompatibilität und kann die Implantate somit über die gesamte Lebensdauer mit moderner Prothetik nachversorgen. Der Anwender wählt zu diesem Zweck, ob er den Fall digital oder analog lösen will. Ein Beispiel: Kürzlich hat ein Zahnarzt für ein Implantat, das bereits vor 30 Jahren eingesetzt wurde, einen neuen Aufbau gesucht. Wir konnten ihm diesen liefern. Das heisst, unser Zahnersatz mit modernster Technologie ist mit unserem gesamten Implantatportfolio kompatibel. Kurz: Die Nachversorgung ist gesichert. So können wir eine lebenslange Garantie geben.
Das heisst, Sie können Ihren Patientinnen und Patienten nur einmal ein Implantat verkaufen. Eine nachhaltige Strategie?
Eine sehr nachhaltige sogar. Denn wer beim Zahnarzt im Zusammenhang mit dem Einsetzen eines Zahnimplantats eine gute Erfahrung gemacht, die Ästhetik sowie die Funktionalität kennen und schätzen gelernt hat, wird sich auch weitere Implantate einsetzen lassen. Mit zunehmendem Alter ist die Wahrscheinlichkeit, Zähne mit einem Implantat ersetzen zu müssen, grösser. Und so schaffen wir eine echte Kundenbindung – ein Leben lang.
Ist Ihr Portfolio dadurch kleiner als das Sortiment der Konkurrenz?
Korrekt. Motiviert durch die Wissenschaft und nicht durch Trends, basiert das Thommen Medical Implantatsystem auf einem einzigartigen und bewährten Design, das seit mehr als drei Jahrzehnten für den klinischen Erfolg optimiert wurde. Wir konzentrieren uns auf ein Portfolio bewährter Lösungen, die Sicherheit und Zuverlässigkeit gewährleisten. Thommen Medical stellt die Produkte im eigenen Werk in Grenchen in der Schweiz her. Wir haben Tochtergesellschaften in Deutschland und den USA. In weiteren Märkten in Europa, Asien und dem Mittleren Osten ist Thommen Medical durch Distributoren vertreten. Das bedingt eine äusserst präzise Schulung der Zahnärztinnen, Zahntechniker und Zahnchirurgen.
Wie schaffen Sie diese Herkulesaufgabe?
Wir haben ein weltweites Netz von Experten, die die dentalen Fachleute schulen. So ist es uns gelungen, dass international führende Zahnärzte, Zahntechniker und renommierte akademische Institutionen unser Zahnimplantatsystem wählen und mitunter auch Kolleginnen und Kollegen schulen.
Wie hoch ist Ihr Marktanteil in der Schweiz?
Wir sind die Nummer zwei im Schweizer Markt. Aber es ist klar, dass der hiesige Markt klein ist. Thommen Medical exportiert 85 Prozent der Produktion, davon 60 Prozent in den europäischen Markt, den Rest in die USA, nach Asien und den mittleren Osten. Produziert wird in Grenchen.
Hilft Swissness im Ausland?
Es schadet bestimmt nicht. Aber letztendlich müssen wir mit unseren Produkten überzeugen. Es ist die Qualität und die Zuverlässigkeit, die zählen.
Vollständiger Artikel als PDF.