Mit Sicherheit drei neue Solothurner in Bern

Am 22. Oktober 2023 wählt die Schweiz ein neues Parlament. Die 200 Mitglieder des Nationalrats und 46 Mitglieder des Ständerats werden in jedem der 26 Kantone eigenständig gewählt. Im Kanton Solothurn mit seinen sechs National- und zwei Ständeratssitzen wird es aufgrund von Rücktritten mindestens drei neue Parlamentarierinnen oder Parlamentarier geben.

Mit den Nationalräten Kurt Fluri (FDP) und Walter Wobmann (SVP) sowie Ständerat Roberto Zanetti (SP) treten drei Schwergewichte nach langen Karrieren von der politischen Bühne zurück. Fluri und Wobmann sassen seit 2003 gemeinsam in der grossen Kammer. Der ehemalige Solothurner Stadtpräsident Fluri wird wohl vor allem für seine fabelhaften Dossierkenntnisse und seinen Coup bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative in Erinnerung bleiben. Der Gretzenbacher Walter Wobmann bewies diverse Male ein sehr gutes Sensorium für die politische Stimmungslage. So konnte er etwa bei der Minarett- oder der Burka-Initiative fast im Alleingang eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung von seinem Anliegen überzeugen. Gerlafingens sozialdemokratisches Urgestein Roberto Zanetti hat bekanntermassen eine bewegte Vergangenheit. Nach der unrühmlichen Abwahl aus dem Regierungsrat 2005 schaffte er fünf Jahre später das Comeback mit dem Sprung in den Ständerat. Nun kann sich der 68-Jährige erhobenen Hauptes aus dem Politbetrieb zurückziehen.

 

Mindestens drei neue Gesichter

Somit ist klar, dass die achtköpfige Solothurner Bundeshaus-Deputation mindestens drei neue Gesichter erhält. Ungefährdet dürfte die Wiederwahl in den Nationalrat von Christian Imark (SVP), Stefan Müller-Altermatt (Die Mitte) und Franziska Roth (SP) ausfallen. Alle drei scheinen in ihren jeweiligen Parteien unbestritten und als Spitzenkandidaten gesetzt. Ferner – und dies ist bei Proporzwahlen entscheidend – sind ihre Parteien genügend stark, um mindestens ein Nationalratsmandat aus eigener Kraft erringen zu können. Dasselbe gilt nicht unbedingt für Grünen-Nationalrat Felix Wettstein. Dessen Sitz ist – ohne weiteren Wählerzuwachs – nur in einer Listenverbindung mit der SP gesichert. Die Grünen werden also mehr als interessiert sein, wieder ein «Päckli» mit den Sozialdemokraten zu schnüren. Die Frage ist, wer letztlich profitieren wird. Gemäss den aktuellen Trends und nach den letzten kantonalen Wahlergebnissen könnte es durchaus sein, dass der grüne Sitz wieder zurück an die SP geht.

 

Wer schafft’s bei der SVP …

Die SVP ist die einzige Partei, die in den letzten Jahren aus eigener Kraft zwei Mandate erzielen konnte. SVP-Präsident Christian Imark wird wohl ungefährdet seine dritte Legislatur in Bern antreten dürfen. In einer guten Position für den zweiten Sitz befindet sich Kantonsrat Rémy Wyssmann. Der umtriebige Rechtsanwalt aus Kriegstetten ist in den Medien sehr präsent. Die SVP-Liste ist aber personell stark besetzt und so ist auch vorstellbar, dass die Kantonsräte Richard Aschberger (Grenchen), Beat Künzli (Laupersdorf) oder Matthias Borner (Olten) den Sprung nach Bern schaffen. Aber vielleicht macht letztlich Sibylle Jeker (Büsserach) überraschend den Männern einen Strich durch die Rechnung? Auch 2023 ist schliesslich mit einem Frauenwahljahr zu rechnen.

 

… und bei der FDP?

Eine spannende Ausmarchung wird ebenso bei der FDP erwartet. Überregional bekannt ist sicher Ypsomed-CEO Simon Michel. Mit dem Präsidenten des kantonalen Hauseigentümerverbands Markus Spielmann, dem Direktor des Schweizer Bauernverbands Martin Rufer und dem Direktor der Solothurner Handelskammer Daniel Probst verfügt er aber über namhafte Konkurrenz in den eigenen Reihen. In erster Linie wird hier aber das Listenergebnis entscheidend sein. Da die FDP mit zwei Listen (Ost und West) antritt und nur über ein Mandat verfügt, kommt es darauf an, welche Liste mehr Gesamtstimmen auf sich vereinigen kann. Die Ost-Liste deckt ein grösseres Bevölkerungsgebiet ab und hat somit das grössere Potential, den freisinnigen Sitz zu erobern.

 

Listenverbindungen entscheidend

Die Mitte schliesslich – das Fusionsprodukt aus CVP und BDP – tritt in dieser Form erstmals zu nationalen Wahlen an. Für sie wird voraussichtlich der Herbetswiler Gemeindepräsident Stefan Müller-Altermatt in seine vierte Legislaturperiode gehen. Alle anderen Parteien – auch die aufstrebende GLP – dürften aufgrund ihres Wähleranteils von einem Sitzgewinn zu weit entfernt sein. Allerdings entscheiden nicht die einzelnen Wähleranteile über die Vergabe der Parlamentssitze. Ebenso relevant sind Listenverbindungen unter den Parteien. Während SP und Grüne traditionell zusammenspannen, sind bei den Bürgerlichen die Varianten offener. In der Vergangenheit haben jeweils nur Mitte, GLP und EVP ihre Kräfte gebündelt. Nun liebäugelt auch die FDP mit einem Anschluss, weil es ihr die Türen für ein zweites Nationalratsmandat stark öffnen würde.

 

Wer begleitet Pirmin Bischof?

Eine absolute Sicherheit gibt es bei Wahlen nie. Doch im Rennen um die beiden Sitze in der kleinen Kammer wäre alles andere als die Wiederwahl von Pirmin Bischof (Die Mitte) eine grössere Überraschung. Der Stadtsolothurner Wirtschaftsanwalt gehört dem «Stöckli» seit 2011 an und erzielte stets hervorragende Wahlresultate. In einer guten Position für das zweite Mandat steht Bildungsdirektor Remo Ankli. Bei den letzten Gesamterneuerungswahlen erzielte Ankli das beste Resultat aller Regierungsräte. Von rechts erwächst ihm Konkurrenz von Christian Imark (SVP), der nebst der Kantonalpartei auch die kantonale ASTAG-Sektion präsidiert. Auf linker Seite werden Franziska Roth (SP) und Felix Wettstein (Grüne) versuchen, den Ständeratssitz von Roberto Zanetti in ihrem Lager zu behalten. Bei dieser Ausgangslage ist ein zweiter Wahlgang wahrscheinlich. Noch haben die Parteien jedoch über ein halbes Jahr Zeit, sich in Stellung zu bringen, Strategien zu zimmern und Allianzen zu schmieden. Wie die politische Grosswetterlage im Oktober aussehen wird, können jedoch auch sie nicht beeinflussen. Noch kann also viel passieren.

von Charlie Schmid, Redaktion Wirtschaftsflash

Foto: Das Bundeshaus in Bern: Der Sitz der eidgenössischen Räte.