Hat sich im Kanton das Einkaufsverhalten verändert?

«Konsumentenstimmung so schlecht wie noch nie!» Die Solothurner Detailhändler können diesen Befund des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) vom letzten Quartal nicht bestätigen. Doch ein Rückblick auf das Jahr 1 nach der Pandemie zeigt: Der Detailhandel steht vor gewaltigen Herausforderungen und die Verunsicherung nimmt zu.

Seit 40 Jahren misst der Bund die Konsumentenstimmung im Land. Ab 2022 fiel dieser Index kontinuierlich ab und verzeichnete im Oktober den tiefsten Wert seit Messbeginn. Die Befragten beurteilten ihre finanzielle Lage aufgrund der Teuerung sehr negativ und machten sich grosse Sorgen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine kleine «Tour d’Horizon» bei verschiedenen Solothurner Detailhändlern kann diesen Eindruck jedoch so nicht bestätigen.

 

Das Geld blieb vor Ort

Angefangen im Westen des Kantons bei Markus Arnold, der die DROPA Drogerie in Grenchen betreibt, legt dieser den Fokus auf die positiven Auswirkungen der Pandemie: das Einkaufen vor Ort. «Wir spüren, dass der Trend zum lokalen Shoppen bereits wieder abnimmt», bilanziert Arnold. Corona zwang die Menschen dazu, ihren Bewegungsradius massiv einzuschränken. Nun spürt er aber bereits wieder den Drang der Konsumenten, grössere Städte und Einkaufszentren aufzusuchen. Das sei natürlich bedauerlich. Daniel Wagmann vom Chuchilade in Solothurn pflichtet Arnold bei: «Das Geld blieb während der Pandemie im Inland, da keine Reisen möglich waren.» Entsprechend verzeichnete sein Geschäft, das für gehobene Küchenartikel steht, 2021 einen Rekordumsatz. Zudem nutzte Wagmann die «tote Zeit» während der Lockdowns, um seinen Onlineshop hochzufahren. Mittlerweile macht dieses Standbein fast ein Drittel der Einnahmen aus. Vergleiche mit den Jahren vor der Pandemie sind daher schwierig.

 

Neue Kombi-Modelle zahlen sich aus

Den Trend zum vermehrten Online-Shopping nimmt auch das Warenhaus Manor in Solothurn wahr. Für Direktorin Kathrin von Arx stellt dies jedoch kein Problem dar. Manor fährt eine Strategie, die das Einkaufserlebnis vor Ort mit attraktiven Online-Diensten kombiniert. Besonders erwähnenswert ist hierbei das «Click + Collect»-Angebot. Viele Weihnachtsgeschenke wurden beispielsweise zu Hause online ausgesucht und teilweise schon eine Stunde später vor Ort abgeholt. Ferner dürfte das Traditionshaus auch von seinem Renommee profitieren. «Wir hören oft, dass Manor einfach zu jeder Shoppingtour durch Solothurn gehört», freut sich von Arx.

 

Preise werden immer wichtiger

Etwas skeptischer beurteilt Vera Graf, Geschäftsführerin des Säliparks in Olten, den allgemeinen Zustand des Detailhandels. Während der Food-Bereich in den letzten zwei Jahren stark zulegen konnte, glaubt sie nicht, dass bei den Non-Food-Artikeln die einstigen Umsätze vor der Pandemie wieder erreicht werden. Im Sälipark sind etwa 30 Geschäfte angesiedelt, die die Güter des täglichen Bedarfs abdecken und im letzten Jahr grundsätzlich gute Zahlen erwirtschaftet haben. Da die Kundschaft in und um Olten oftmals sehr kostenorientiert und preissensitiv sei, dürfte der Druck in der kommenden Zeit aufrechterhalten bleiben. «Im stationären Handel ist die Kundenfrequenz generell rückläufig», beobachtet Graf. Die Auswirkungen steigender Energie- oder Gesundheitskosten erwartet sie in den kommenden Monaten. Und nicht zuletzt erwähnt sie nebst Online-Handel und Teuerung die dritte grosse Herausforderung: die billigere Konkurrenz im grenznahen Ausland.

 

Umsatzstarkes Weihnachtsgeschäft

Unter den Lockdowns litt die Modebranche ganz besonders. In Breitenbach betreibt Bernadette Jeker seit zehn Jahren gemeinsam mit ihrer Schwester eine Boutique für Schuhe und Accessoires. Umsatzeinbussen hätten auch sie im letzten Jahr nicht besonders gespürt. Aber sie bestätigt die Tendenz, dass in ihrem Verkaufssegment die Geschäfte Jahr für Jahr schwieriger werden. Noch scheint sich die allgemeine Lage im Detailhandel nicht flächendeckend stabilisiert zu haben. Von 2022 als «normalem» Jahr, mag auch Elisabeth Schori von der Weinhandlung Vinothek in Solothurn noch nicht sprechen. «Wir spüren erst jetzt allmählich den Trend zur Normalisierung», sagt sie und fügt an, dass ihre Branche stark von Grossbestellungen lebt. Die HESO und das Weihnachtsgeschäft seien jedoch zufriedenstellend verlaufen. Auch der Chuchilade, die DROPA in Grenchen, der Sälipark oder Manor bestätigen den Eindruck einer rentablen Adventszeit. Die Stadt- und Gewerbevereinigung Solothurn fragte bei ihren Detailhändlern nach: Zwei Drittel der Befragten schätzten das Konsumverhalten im letzten Dezember als gut oder sogar sehr gut ein. Die Prognosen liessen diesen Befund so nicht erwarten.

 

Verunsicherung setzt erst allmählich ein

Das SECO wies in den vergangenen Monaten deutlich unterdurchschnittliche Werte bei der Neigung zu grösseren Anschaffungen aus. Martin Kamber, Geschäftsinhaber von Möbel Kamber mit Standorten in Mümliswil und im aargauischen Brugg, kann diesen Befund bestätigen. Er bewegt sich mit seinem Möbelhaus in einem mittleren Preissegment: «Unsere Kundschaft wartet mit der Anschaffung einer neuen Polstergruppe lieber noch etwas zu, solange es die alte noch tut.» Nachdem die Geschäfte auch bei ihm während der Pandemiejahre gut verliefen, ist jetzt die Verunsicherung deutlich spürbar. Dominique Mägli kann Kamber beipflichten. Mägli, der in Olten, Solothurn und Bern drei Bijouterien betreibt, blickt auf ein gutes Jahr zurück. «Wir dürfen sehr dankbar sein», verweist er auf die Stammkundschaft, die ihm während und auch nach der Pandemie die Treue erwiesen hat. Auch er spürt jedoch mittlerweile eine gewisse Zurückhaltung.

 

Kluge Lösungen sind gefragt

Fazit: Eine flächendeckend miserable Konsumentenstimmung können die befragten Detailhändler nicht bestätigen. Gerade das Weihnachtsgeschäft lief den Prognosen des SECO zuwider. Eher wird ein struktureller Wandel im Einkaufsverhalten beobachtet, der sich in den Pandemiejahren noch beschleunigte. Der Onlinehandel gewinnt zwar an Bedeutung, aber gerade im Hochpreissegment steht das Einkaufserlebnis immer noch im Vordergrund. Eine kluge Kombination von digitalem und physischem Angebot scheint erfolgversprechend zu sein. Um im harten Schweizer Markt bestehen zu können, braucht es künftig wohl verstärkt innovative, aber auch branchenspezifische Ansätze.

von Charlie Schmid, Redaktion Wirtschaftsflash

Foto: Blick in den Sälipark Olten.