Fabio Regazzi: «Trotz Pandemie wirtschaftlich gut aufgestellt»

Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes SGV, denkt nicht, dass die Stimmberechtigten ein angespanntes Verhältnis zur Wirtschaft haben. Dieses angebliche Problem werde primär von den Medien kolportiert. Vor allem die KMU seien Sympathieträger, die einen grossen Beitrag an die Gesellschaft leisten.

Sie sind Unternehmer, Mitte-Politiker und seit gut einem Jahr Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes SVG. Wie gross erachten Sie das Vertrauen der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in die Politik und die Wirtschaft?
Gerade während Krisenzeiten sucht die Bevölkerung Sicherheit bei den politischen und staatlichen Institutionen. Als Dachver­band der Schweizer Wirtschaft konnten auch wir einen grossen Beitrag für die Ori­entierung und Unterstützung der Unter­nehmungen leisten. Dieser Beitrag wurde sehr geschätzt und hat dazu geführt, dass wir markant neue Mitglieder gewinnen konnten. Vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass das Vertrauen der Stimm­bevölkerung in die Politik und in die Wirt­schaft konstant gut geblieben ist.

Was sagen Sie zu den vergangenen, wirtschaftsrelevanten Abstimmun-gen, die bei den Stimmberechtigten auf ein eher angespanntes Verhältnis zur Wirtschaft hinweisen?
Ich denke nicht, dass die Stimmberechtig­ten ein angespanntes Verhältnis zur Wirtschaft haben. Dieses angebliche Problem wird primär von den Medien kolportiert. Natürlich ist es eine Tatsache, dass die Zei­ten vorbei sind, wo der sogenannte Vorort der Stimmbevölkerung vorgegeben hat, wie sie abzustimmen hat. Die Rechnung war einfach: Wenn eine Vorlage gut für die Wirtschaft war, wurde sie angenommen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind aber heute anspruchsvoller, man kann auch sagen emanzipierter. Ein Argument allein reicht nicht mehr und es sind neue Megatrends wie die Nachhaltigkeit ent­ standen, welche viele politische Entschei­dungen massgeblich beeinflussen.

FABIO REGAZZI, PRÄSIDENT SCHWEIZERISCHER GEWERBEVERBAND SGV

«Die KMU sind seit je die Sympathieträger. Denken Sie da zum Beispiel auch an die Berufsbildung.»

Warum wird die Wirtschaft so kritisch beobachtet und beurteilt?
Ein ganz wichtiger Grund ist – und ich formuliere das bewusst etwas salopp – es geht uns viel zu gut! Wir sind trotz Pan­demie wirtschaftlich sehr gut aufgestellt und Arbeitslosigkeit ist praktisch kein Thema. Ändert sich das, werden auch so­fort wieder die Anliegen der Wirtschaft wichtiger.

Und wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Verhältnis ausgewirkt?
Wie ich bereits ausgeführt habe, sehe ich durch die Pandemie keine Verschlechte­rung des Verhältnisses zwischen der Be­völkerung und der Wirtschaft. Wir dür­fen auch nicht vergessen, dass es einzelne Branchen der Wirtschaft waren, welche mit den Lockdowns die ganze Last der Kri­se für die Gesellschaft getragen haben. Der Bevölkerung war dies durchaus be­wusst und deshalb erlebten viele der ge­schlossenen Betriebe auch eine grosse Solidarität von Seiten der Politik und der Gesellschaft.

Sind Gewerbetreibende näher an der Gesellschaft und besser akzeptiert als internationale Grossunternehmen?
Die KMU sind seit je die Sympathieträger, da sie einen grossen Beitrag an die Gesell­schaft leisten. Denken Sie da zum Beispiel auch an die Berufsbildung. KMU sind nä­her am Puls der Gesellschaft, das stimmt. Es macht allerdings überhaupt keinen Sinn die Kleinen, Mittleren und Grossen gegen­ einander auszuspielen. Es braucht alle!

Also ist das Gewerbe ein wichtiges Bindeglied zwischen Wirtschaft und Gesellschaft? Ganz genau!

Was halten Sie vom Slogan «Wir alle sind die Wirtschaft»?
Wir verwenden ihn schon länger zum Beispiel beim Titel unserer TV-Sendung «FOKUS KMU – Alle sind Wirtschaft». <

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ZUR PERSON

Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Ge­ werbeverbandes, ist Unternehmer, Mitte-Politiker und Verbandsfunktionär. Er ist seit 2011 National­ rat und seit 2020 Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Regazzi erlangte nach der Matura einen Bachelor of Laws am Collegio Papio in Ascona und 1988 das Lizenziat der Rechtswis­ senschaften an der Universität Zürich. 1991 er­ hielt er das Anwalt-, 1992 das Notarpatent. Von 1992 bis 1999 war er Inhaber einer Anwaltskanz­ lei in Locarno und Gordola. Von 2000 bis 2009 war er Generaldirektor der Regazzi SA, eines Industrieunternehmens der Familie, das auf dem Gebiet der Metallverarbeitung tätig ist. Seit 2010 ist Fabio Regazzi VRP des Unterneh­ mens.