CEO und Mitinhaber Lukas Büetiger erklärt, wie Nischenprodukte entwickelt und warum Röntgenschablonen als medizinisches Instrument klassifiziert werden.
Lukas Büetiger, Sie sind CEO und Mitinhaber der Büetiger AG. Eine Druckerei mit viel Familientradition, die bereits vor 1990 nicht nur konventionelle Drucksachen anbot, sondern Packungsbeilagen und Arzneiprospekte. Liegt Innovation in Ihren Genen und verpflichtet?
Wenn ich so überlege und in meine Vergangenheit blicke, kann man schon sa- gen, dass ich immer ein Tüftler und neugieriger Mensch war. Ich interessierte mich schon früh für neue Technologien und neue Prozesse. Dieses Interesse ist bis heute geblieben und kann ein Treiber für Innovation sein. Vor allem aber – und das ist wohl der Punkt, den ich vom Elternhaus mitbekommen habe und heute am wichtigsten ist – man sollte immer genau zuhören und nachfragen, wenn Kunden Ideen und Wünsche äussern. Sätze wie «das geht nicht» oder «das machen wir nicht so» werden Sie von mir nie hören.
Längst haben Sie die Betriebsfelder Gebrauchsanweisungen, Packungsbeilagen und medizinische Folien weiterentwickelt. Machen diese heute den Hauptumsatz des Unternehmens aus?
Der Bereich MEDICAL PRINT SERVICES, also jener Bereich wo nach EN ISO 13485:2016 zertifiziert Gebrauchsanweisungen und Packungsbeilagen hergestellt werden, macht den grössten Umsatzanteil aus. Die Produktion von medizinischen Folien ist zwar hochkomplex und findet in einem zertifizierten Reinraum statt, ist aber ein Nischensegment mit geringem Umsatzanteil. Wichtiger ist das klassische Segment PRINT, in wel- chem wir nach dem Qualitätsstandard ISO 9001 Akzidenzdrucksachen sämtli- cher Art herstellen. Beispielsweise auch dieses Magazin.
Die Digitalisierung setzt den Print bekanntlich sehr unter Druck. Dieser Entwicklung haben Sie sich nicht entzogen, sondern elektronische Strategien entwickelt. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Papier und Elektronik?
Zu unserem grössten Geschäftsfeld MEDICAL PRINT SERVICES zählt auch unsere Plattform für elektronische Gebrauchsanweisungen smartIFU®. Diese ist ebenso zertifiziert und validiert. Sie hält auch den Anforderungen der europäischen und amerikanischen Regulatorien stand. Hier treffen Papier und Elektronik zusammen. Wenn eine Unternehmung ihre Gebrauchsanweisungen oder einen Teil davon elektronisch bereitstellen möchte, bieten wir diese Infrastruktur an. Aber ebenso auch den zertifizierten klassischen Druck auf Papier. Dieser ist nach wie vor sehr wichtig für Branchen oder Absatzgebiete, wo elektronische Gebrauchsanweisungen von den Behörden nicht freigegeben sind.
Ist es auch schwierig, den Mitarbeitenden einer Druckerei diese zeitgeistigen Neuausrichtungen zu erklären und schmackhaft zu machen?
Wir haben ein tolles Team von motivierten und aufgeschlossenen Mitarbeitenden. Jede und jeder nutzt täglich im Privatleben viele neue digitale Technologien. So ist es eher umgekehrt, es wird von den Arbeitgebenden erwartet, dass man mit der Zeit geht und sowohl die Prozesse intern wie auch die Angebote für Kunden der fortschreitenden Digitalisierung anpasst.
«Diese Röntgenschablonen werden von den regulatorischen Behörden neu als medizinisches Instrument klassifiziert.»
Sie sind studierter Ökonom. Sehen Sie Ihre Innovationen als wirtschaftliche Chance oder packt Sie auch ab und zu die Leidenschaft, Neues zu entwickeln?
Beide Dimensionen sind sehr wichtig. Zu Beginn steht sicher eine Idee im Raum und wird dann hauptsächlich aus Leidenschaft und innerer Motivation weitergetrieben. Die Idee wächst mit der Zeit zu einem Konzept heran. Jetzt beginnt das Abwägen der Chancen und Risiken. Spätestens wenn aus dem Konzept ein Plan geworden ist, entscheiden die nötigen Investitionen und die voraussichtlichen, künftigen Erlöse über die konkrete Umsetzung. Eine Innovation sollte schlussendlich immer der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens dienen. Ist dem nicht so, ist nicht unsere Leidenschaft daran schuld sondern eine Fehleinschätzung der Chancen.
Ein ganz spezielles Angebot der Büetiger AG sind die Röntgenschablonen (Xray Templates) für die Medizintechnik. Mussten Sie diese medizinischen Folien zertifizieren lassen?
Diese Röntgenschablonen werden von den regulatorischen Behörden neu als medizinisches Instrument klassifiziert. Die Produktion muss deshalb den geltenden Regulatorien für Medizinprodukte ent- sprechen. Und dies ist – zum Glück – aus- schliesslich mit einer entsprechenden Zertifizierung möglich. Nur mit dieser aufwändigen Zertifizierung für Medizinprodukte EN ISO 13485 erfüllen wir diese Anforderungen. Zusätzlich braucht es natürlich für den amerikanischen Markt eine Registrierung bei der dortigen Behörde FDA sowie eine Listung der Produkte. Schliesslich müssen für mindes- tens 25 Jahre sämtliche Produktionsschritte und die daran beteiligten Anlagen und Mitarbeitenden sowie die verwendeten Materialchargen rückverfolgt werden können.
Welche Voraussetzungen braucht es noch?
Es müssen sowohl Infrastruktur wie Produktionsanlagen qualifiziert und die Pro-duktionsprozesse validiert sein. Diese Anforderung ist der eigentliche riesige Initialaufwand, um in ein solches Geschäft einzusteigen.
Auch mit den elektronischen Gebrauchsanweisungen sind Sie in der Medizinaltechnik tätig. Die eIFU (Electronic Instructions For Use) ersetzen unter bestimmten Vorausset- zungen die Gebrauchsanweisungen in Papierform. Wie kamen Sie zu diesem Angebot?
Wir arbeiten schon seit vielen Jahren im digitalen Bereich und erstellen Websites, eShops, Applikationen und Portale. Daher entstand diese Idee bereits vor einigen Jahren und wurde in Form von Portalen für den Non-Medical-Bereich umgesetzt. Mit der aufkommenden Plattformökonomie sowie den neu zugelassenen Möglichkeiten seitens Regulatorien konnten wir diese Idee auch in den Medical-Bereich effizient übertragen.
Fazit: Druckereien müssen heute umdenken und ihre Geschäftsfelder weiterentwickeln. Haben Sie noch eine Neuausrichtung in der Pipeline?
Ich denke, man muss mit der Zeit gehen und Neuausrichtungen nur ins Auge fassen, wenn diese erfolgversprechend sind. Bestehendes muss nicht immer schlecht sein. So glaube ich persönlich zwar an eine weiterschreitende Digitalisierung. Aber eben auch an die Koexistenz von physisch gedruckten Produkten. <