Die Strommärkte sind ausser Rand und Band. Und was der freie Markt kostet

Mitte Jahr erreichten die Energiepreise exorbitante Höhen und sorgten mitunter in der Wirtschaft für Panik. Kurz: Die Strommärkte sind aus den Fugen geraten, die KMU stehen vor grossen Herausforderungen. Das Prinzip «einmal frei, immer frei» – keine Rückkehr vom freien Strommarkt zurück in die Grundversorgung – sorgt für kontroverse Diskussionen.

Noch vor wenigen Wochen waren kurzzeitig derart hohe Strompreise zu beobachten, dass die monatlichen Stromkosten für viele Unternehmen höher waren als üblicherweise in einem ganzen Jahr. Erschwerend kommt hinzu, dass im EU-Raum Verbraucherinnen und Verbrauchern mit fast 700 Milliarden Euro Staatsgeldern unter die Arme gegriffen wird. Das bedeutet ungleich lange Spiesse für die Schweizer Firmen, die mit massiv subventionierten Unternehmen im Wettbewerb stehen. «Auch für die Stromproduzenten bedeuten die ausgetrockneten Märkte, die hohe Preisvolatilität und die zunehmenden Staatsinterventionen erhebliche Herausforderungen», ist economiesuisse überzeugt. Nun haben die drei grossen Elektrizitätsunternehmen der Schweiz (Alpiq, Axpo und BKW) sowie die Verbände besonders betroffener Branchen auf der Nachfrageseite auf Initiative des Dachverbandes economiesuisse die aktuellen Probleme besprochen, notwendige Massnahmen diskutiert und Lösungen erarbeitet. Denn die Wirtschaft könne sich in dieser schwierigen Situation am besten selbst helfen – «ein Eingreifen des Staates darf nur das allerletzte Mittel sein», hält economiesuisse fest. Im November hat der Bundesrat verschiedene Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen und Privathaushalte im Zusammenhang mit den hohen Energiepreisen und der Inflation diskutiert. Und kommt dabei zum Schluss, dass weder die Wirtschaftslage noch die Inflation eine Intervention rechtfertigen würden. Mit anderen Worten: Der Bundesrat sieht für den Winter 2022/23 keinen Bedarf für ausserordentliche Massnahmen. Weiter hält der Bundesrat fest, dass die Energiepreise zuletzt deutlich unter die Höchstwerte von Ende August 2022 gesunken seien und die Inflation mit 3,3 Prozent im September 2022 zwar erhöht bleibe, weiterhin aber nur rund ein Drittel so hoch wie im Euroraum sei. Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes hat ihre Prognose für das BIP-Wachstum im Jahr 2023 zwar auf 1,1 Prozent gesenkt, erwartet jedoch keine Rezession.

An den Grosshandelsmärkten sind die Preise bereits 2021 unter anderem aufgrund höherer Brennstoff- und CO2-Preise sowie Kraftwerksausfällen und -abschaltungen stark angestiegen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein viel und kontrovers diskutiertes Thema ist die Rückkehr vom freien Strommarkt in die Grundversorgung. Für Dr. Markus Flatt, Geschäftsführender Partner von EVU Partners, einem renommierten Unternehmen für Energieberatungen, gibt es keinen Interpretationsspielraum: «Das Prinzip ist in Art. 11 der Stromversorgungsverordnung explizit vorgegeben und wurde auch gerichtlich mehrfach bestätigt.» Entsprechend gelte dieser Grundsatz weiterhin. «Persönlich erachte ich diesen auch als wichtig, da man in einer Teilmarktöffnung nicht zwischen Grundversorgung und Markt hin- und herwechseln sollte. Sonst wählt jeder wirtschaftlich Denkende einfach immer die gerade günstigere Variante», betont der Solothurner Experte und Gutachter für Energieversorger sowie für Verbände und Behörden. Die daraus resultierenden Mehrkosten in der Beschaffung sowie der Wechsel würden die übrigen Kunden bezahlen, was nicht fair wäre. «Die nun vom Bund bestätigte Möglichkeit über einen ‹ZEV – Zusammenschluss zum Eigenverbrauch› in die Grundversorgung zurückzukehren, ist in dieser Hinsicht immerhin mit weitgehenden Auflagen verbunden», sagt Markus Flatt. Anderer Meinung ist der Schweizerische Gewerbeverband sgv, der fordert, Stromverbraucher im freien Markt sollen unter bestimmten Bedingungen in die Grundversorgung wechseln können. Der Kantonal-Solothurnische Gewerbeverband kgv begrüsst die Meinung des Dachverbandes, denn seiner Ansicht nach gibt es keinen Markt, auf dem man sich ewig bindet.

Als wichtig erachtet Experte Flatt derzeit, dass die betroffenen Kunden mit ihren Versorgern beziehungsweise Lieferanten sprechen und versuchen die bestmögliche Lösung zu finden. «Wir sitzen letztlich alle im gleichen Boot.» Anstelle der reinen Höhe der Preise dürfte das Thema Preisstabilität infolge der Marktrisiken stark an Bedeutung gewonnen haben. «Die Marktpreise sind historisch einmalig hoch, dies trifft auch die Mehrheit der Versorger sowie der grundversorgten Kunden, oft einfach zeitversetzt», so Markus Flatt. Dem Problem hoher Marktpreise könnten sich aktuell nur Produzenten mit viel und vergleichsweise günstiger Eigenproduktion entziehen. «Für Endkunden gilt es daher das Maximum beim Energiesparen umzusetzen, eigene Produktionsmöglichkeiten zu prüfen und die verbleibende Beschaffung aufgrund des Risikoprofils des Unternehmens zu überprüfen.»

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