Attisholz-Areal: Wie eine Industriebrache erfolgreich zu neuem Leben erweckt wird

Die Geschichte ist bekannt, die Umnutzung in vollem Gange, die Planung langfristig: Das Attisholz-Areal in Riedholz macht schweizweit Furore. Ende 2016 kaufte die Halter AG das Areal und treibt seither die Entwicklung als Generationenprojekt aktiv voran. Warum Industriebrachen für die Siedlungsentwicklung ein so grosses Potenzial bieten.

Einst, 1881 als Cellulose Attisholz AG ge­ gründet, war sie die einzige Cellulose­ fabrik der Schweiz. Heute verkörpert das Areal ein grosses Stück Schweizer Indust­ riegeschichte. Mehr noch, ist Symbol des Strukturwandels im Kanton Solothurn, steht für den Niedergang der Papierin­dustrie. Aber auch für Aufschwung der Neubestimmung. Nach turbulenten Jah­ren schloss die Fabrik im Jahr 2008 ihre Tore. Entstanden ist eine der grössten In­ dustriebrachen der Schweiz – und ein hochspannendes Planungsumfeld. Ge­meinsam mit dem Kanton Solothurn, der Standortgemeinde Riedholz und der da­ maligen Besitzerin Attisholz Infra AG wurde an der Entwicklung und Neupo­sitionierung des Attisholz­Areals gear­ beitet. Ende 2016 hat die Halter AG das Areal gekauft und treibt seither die Ent­ wicklung als Generationenprojekt aktiv voran. «Seit Ende 2016 arbeiten wir ge­meinsam mit der Gemeinde und dem Kanton daran, das Areal mit seinen aus­sergewöhnlichen Standorteigenschaften für zukünftige Generationen einer neuen Nutzung zuzuführen. Die Zusammen­arbeit aller Player war von Beginn an sehr gut und partnerschaftlich», betont Andreas Campi, Geschäftsführer von Hal­ter Entwicklungen. Vor allem die Grösse und Wucht der Bauten beeindrucken. Die imposante Erscheinung der Industrieanla­ge soll bewahrt und in die Zukunft über­tragen werden. Oder anders: Der wichti­gen, wenn auch vergangenen Epoche der Solothurner Papierindustrie wird Tribut gezollt. Bereits heute sind neue Nutzer eingezogen und weitere werden folgen. So entsteht in den kommenden zwanzig Jahren nach und nach ein lebendiges Quartier, ein selbstverständliches Mit­- und Nebeneinander von Wohnen, Arbei­ten, Bildung, Forschung – von Leben, Er­leben und Geniessen in einem attraktiven Erholungsgebiet an der Aare.

Auch das Solothurner Unternehmen BSB+ Partner Ingenieure und Planer AG arbei­tet mit der Halter AG am aussergewöhn­lichen Projekt. Thomas Ledermann, Ge­schäftsleitungsmitglied der BSB und federführender Planer, beschreibt das Attisholz­-Areal als keine alltägliche Nut­zungsplanung. «Sowohl im Kanton Solo­thurn wie auch in der ganzen Schweiz ist dieses Areal einzigartig», betont der pro­movierte Geograf. Entsprechend würde die Entwicklung des Attisholz­-Areals für alle Beteiligten, sei es für die Gemeinde, den Kanton, die Grundeigentümerin wie auch die Planer in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung darstellen. Die Grösse des ehemaligen Industrieareals ist immens – mit den umliegenden Ge­bieten der heutigen Erhaltungszone um­fasst es rund 23 Hektar. Bemerkenswert ist auch die Komplexität und Vielseitig­keit der zu behandelnden Themen. Seien es städtebauliche und freiräumliche Aspekte, Vielfältigkeit der erwünschten Nutzungen, Mobilität und Verkehr, Er­ schliessung, Energie, Natur und Umwelt – die Planung wurde zum Husarenstück.

Mehrere Jahrzehnte
«Der Umstrukturierungsprozess wird über mehrere Jahrzehnte stattfinden, deshalb sprechen wir von einem Generationenpro­ jekt», sagt der Geschäftsführer von Halter Entwicklungen, Andreas Campi. Doch was, wenn Schlüsselfiguren, die heute die Entwicklung des Areals vorantreiben und verantworten, ausscheiden? Langfristige Projekte würden immer personenunab­hängig geplant und ausgeführt, entschärft Andreas Campi und erinnert an den Wechsel in der Solothurner Regierung. «Mit Regierungsrat Roland Fürst hatten wir einen sehr offenen und kompetenten Partner, den guten Austausch werden wir auch mit seiner Nachfolgerin Sandra Kolly haben», lässt er keine Zweifel offen. Die Pläne sind gross, die Standortgemeinde relevant: «In 20 Jahren verdoppeln wir die Einwohnerzahlen in Riedholz. Konzentriert und bei verhältnismässig wenig Infra­struktur­-Anpassungen», hält Campi fest. Die Kommunikation mit der Bevölkerung braucht Fingerspitzengefühl. Dazu der Pla­ner Thomas Ledermann: «Es war klar, dass zum heutigen Zeitpunkt nicht alle Fragen beantwortet werden können. Aber die Vielzahl musste angesprochen werden.» Die Entwicklung hat demzufolge in «ver­daubaren» Etappen zu erfolgen, um die Akzeptanz in der ansässigen Bevölkerung jederzeit zu gewährleisten. Mehr Einwoh­nerinnen und Einwohner bedeuten mehr Mobilität. Aufgrund der dezentralen Lage des Areals besteht der Anspruch, innovative Mobilitätsfor­men zu fördern und damit einen möglichst günstigen Modal Split zu erreichen, sind sich der Arealentwickler und ­-planer einig. Ein Nebengleis: Der Regierungsrat wurde vom Parlament beauftragt, zusammen mit den involvierten Partnern die bestehende Perronanlage des Bahnhofs Luterbach­ Attisholz behindertengerecht und somit gesetzeskonform aufzuwerten und die Fussgängerquerung der bestehenden Un­terführung nach Norden zur Erschliessung des Industrieareals Attisholz­-Süd bis Ende 2023 zu realisieren.

Bauland ist knapp
Bauland ist in der Schweiz ein knappes Gut. Deshalb sind grosse, ehemalige Industrieareale an guter Lage willkom­ mene Nutzungsflächen – hier schlummert schweizweit ein ungenutztes Potenzial von Millionen an Quadratmetern, die Wohnraum, Arbeitsstätten und Arbeits­plätze generieren können. Zuletzt hatte der Bundesrat im Juni 2008 den Mass­nahmenplan zur Förderung der Umnut­zung von Industrie­ und Gewerbebrachen verabschiedet. Grundlage war damals eine vom ARE, vom Bundesamt für Um­welt BAFU und den Fachstellen für Raumentwicklung, Umwelt und Wirt­schaft des Kantons Aargau durchgeführte Untersuchung. Das war vor rund 13 Jah­ren. Aktuelle Untersuchungen existieren nicht. Der Bund hat den Ball an die Kanto­ne und die Wirtschaft weitergegeben. Bei Grossprojekten wie dem Attisholz­-Areal müssen alle Player zufriedengestellt werden. Fragen, ob sich die Gemeinde die Entwicklung überhaupt leisten kann, sind angezeigt. Im Fall von Riedholz musste in den Planungsinstrumenten verbindlich festgelegt werden, dass die Standortge­meinde als Planungsbehörde die schritt­weise Entwicklung steuern kann, «die Fäden in der Hand behält», wie Thomas Ledermann sagt. Und Andreas Campi erin­nert daran, dass mit der Gemeinde Ried­holz eine künftige Mehrwertabschöpfung von 19 Mio. Franken ausgehandelt wurde. Der Betrag ist zweckgebunden und dient reglementarisch festgehaltenen Mass­nahmen, die der Gemeinde aus dem Pla­nungsgesetz beispielsweise für Auszonun­gen erwachsen. Den Planungsmehrwert erhält die Gemeinde etappenweise, jeweils mit der Fertigstellung einer Bauphase. Kurz: in den nächsten Jahrzehnten.

Gemeinde, Wirtschaft, Umwelt
Einerseits müssen also notwendige Leit­planken für die langfristige Entwicklung gesetzt werden, um der Standortgemein­de eine planerische Sicherheit zu geben. Anderseits dürfen dadurch die Investoren nicht zu stark eingeschränkt werden. Pla­ner Thomas Ledermann bleibt pragma­tisch: «Es musste die richtige Flughöhe und der richtige Detaillierungsgrad gefun­den werden.» Dass Nachhaltigkeit bei der Planung ein wichtiges Thema ist, versteht sich von selbst. Das Attisholz­Areal liegt abseits der schweizerischen Grosszentren im Grünen. «Ein sensibler Umgang mit den vorhandenen Naturwerten in unmit­telbarer Umgebung wie der Aareraum oder die Emmemündung war dabei ge­fordert.» Planung beziehungsweise Raumplanung sollte immer den Anspruch haben, lang­ fristig zu sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass zukünftige Ideen auch um­setzbar bleiben. Andreas Campi sagt, dass Langfristigkeit bei allen Arealent­wicklungen der Halter AG Standard sei. Beim Attisholz­-Areal war die Verträglich­keit der Entwicklung ein stetes Thema. Vor allem, weil kein bestehendes Wohn­- oder Arbeitsgebiet weiterentwickelt, sondern ein grosses Areal neu für die Entwicklung freigegeben wurde. Die Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Entwicklung waren somit allgegenwär­tig. «Themen wie Gemeindefinanzen und Schulinfrastruktur kamen immer wieder auf. Was kostet uns die Entwick­lung? wurde häufig gefragt», erinnert sich Thomas Ledermann. Auf diese Fra­gen mussten Antworten gefunden wer­den, auch wenn diese nicht immer ab­schliessend waren und immer noch nicht sind. Es ging darum, Prozesse und Me­chanismen für die zukünftige Entwick­lung aufzuzeigen und verbindlich festzu­halten – auch durch Vereinbarungen. Und städtebaulich stand der Erhalt res­pektive der Umgang mit den identitäts­ stiftenden Charakteristiken des Areals, insbesondere der Bestandesbauten im Mittelpunkt. Die Einmaligkeit des Ortes wird bewahrt und sukzessive in die Zu­kunft geführt. <